Dienstag, 21. April 2015

Pflegeberatung in Deutschland wenig bekannt

ZQP-Bevölkerungsbefragung: Mehrheit der Deutschen fühlt sich schlecht über die gesetzlichen Leistungen für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige informiert


Ein Pflegefall kann plötzlich eintreten. Oftmals muss dann schnell Hilfe organisiert werden. Bei dieser komplexen Aufgabe soll in Deutschland die gesetzlich verankerte Pflegeberatung unterstützen. Pflegebedürftige, die Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen oder beantragt haben, haben seit 2009 sogar einen Rechtsanspruch auf individuelle, unabhängige und kostenlose Beratung. Allerdings ist dieser Anspruch knapp 60 Prozent der Deutschen unbekannt, wie eine repräsentative Bevölkerungsbefragung der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) zeigt. Nur 25 Prozent der Befragten gaben an, eine auf das Thema Pflege spezialisierte wohnortnahe Beratungsstelle zu kennen – nur acht Prozent kannten einen konkreten Pflegestützpunkt. Dabei wurden diese eigens dafür eingerichtet, eine wohnortnahe Beratung zu gewährleisten. Insgesamt weiß lediglich jeder fünfte Befragte, wie er bei einem familiären Pflegefall überhaupt vorgehen müsste.
„Gute Beratung sichert auch die Qualität in der Versorgung der Menschen. Es ist nicht hinnehmbar, wenn auf Hilfe angewiesenen Menschen von qualifizierter Pflegeberatung nicht erreicht werden. Deswegen muss die Stärkung der unabhängigen Beratung eine zentrale Rolle bei der Ausgestaltung des zweiten Pflegestärkungsgesetzes spielen“, erklärt Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP.
Das ist auch im Sinne der Bundesbürger: Nur eine Minderheit glaubt, dass eine Beratung beim Hausarzt oder Pflegedienst ausreichend (15 Prozent) ist. Mehr als die Hälfte hält hingegen spezialisierte Beratungsangebote für notwendig (57 Prozent). Bei Pflegeerfahrenen sind es sogar 75 Prozent.
Die Beratungsangebote werden umso wichtiger, da sich fast drei Viertel der Deutschen weniger gut oder sogar schlecht darüber informiert fühlt, auf welche Leistungen pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige einen gesetzlichen Anspruch haben. Dabei haben 76 Prozent der Bundesbürger das Bedürfnis, sich selbst über Hilfestellung und Unterstützung zu Pflegeangeboten zu informieren, um selbstständig entscheiden zu können, wie die Versorgung im Pflegefall sichergestellt werden soll. „Pflegeberatung ist oftmals noch eine vertane Chance in Deutschland. Sie muss wirksam helfen, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen eigenverantwortliche Entscheidungen treffen können. Das zeigen die Ergebnisse der Analyse“, so Suhr.
Die Mehrheit der Befragten bevorzugt eine persönliche Beratung (53 Prozent), deutlich mehr als Online-Beratung und telefonische Beratung. Bei der Auswahl der Beratungsstelle ist die Unabhängigkeit der Beratung am wichtigsten (57 Prozent). Aber auch die Nähe zum Wohn- und Arbeitsort (44 Prozent) und die Kostenfreiheit beeinflussen die Auswahl des Angebotes stark (44 Prozent).
Methoden und Vorgehensweise
Dieser Auswertung liegt eine anonyme Bevölkerungsumfrage zugrunde, in der mittels einer repräsentativen Stichprobe Informiertheit und Einstellungen zum Thema „Information und Beratung bei Pflegebedürftigkeit“ erfragt wurden. Die Stichprobengröße beträgt 2.003 Befragte (N=2.003). Die Befragung wurde in der Zeit vom 5. bis 13. Februar 2015 durchgeführt. Die Grundgesamtheit bildeten die Erwerbstätigen ab 18 Jahre, bundesweit, repräsentiert in einem Panel mit ca. 20.000 Personen. Als Erhebungsmethode kam die In-Home-Befragung per PC bzw. Set-Top-Box am TV-Bildschirm zum Einsatz. Anschließend wurde die Personenstichprobe nach Region, Alter, Geschlecht und Bildung gewichtet. Die statistische Fehlertoleranz der Untersuchung in der Gesamtstichprobe liegt bei +/- 2 Prozentpunkten.
Hintergrund zur Pflegeberatung
Seit 1. Januar 2009 haben in Deutschland alle Menschen mit Pflege-, Versorgungs- oder Betreuungsbedarf, die Leistungen nach SGB XI beziehen oder beantragt haben, einen gesetzlichen Anspruch auf eine unabhängige, kostenlose und individuelle Pflegeberatung (§ 7a SGB XI). Mithilfe der gesetzlich verankerten Pflegeberatung sollen Beratungs- und Koordinierungsleistungen nicht mehr isoliert voneinander erbracht, sondern orts- und familiennah gebündelt werden. Um dies wohnortnah zu gewährleisten, wurden analog zu den gesetzlichen und privaten Krankenkassen zwei unterschiedliche Modelle entwickelt: Die privaten Krankenversicherungen betreiben mit COMPASS Private Pflegeberatung GmbH ein eigenes Beratungsunternehmen, das neben der telefonischen vor allem auch eine aufsuchende Beratung im eigenen Zuhause anbietet. Die gesetzlichen Pflegekassen haben Pflegestützpunkte (§ 92c SGB XI) als wohnortnahe Anlaufstellen für die Bevölkerung eingerichtet. Die föderale Organisation der Pflegestützpunkte, die von den Landespflegekassen in Kooperation mit den obersten Landesbehörden errichtet werden, hat dazu geführt, dass die Anzahl der Pflegestützpunkte in den einzelnen Bundesländern stark variiert.

Anmerkung der Redaktion:

Hier finden Sie Adressen für gesetzlich (Pflegestützpunkte) und privat  (COMPASS) Versicherte: http://psp.zqp.de

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